28.01.2016 | Manuela Walter

Menschenbilder, Landschaftsbilder und Skizzen auf der Bühne

Ein Mädchen in einem rosafarbenen, langen Kleid schwebt durch den Raum. Sie gleicht einer Figur aus Walt Disneys Märchenfilmen. Lebensgroß gemalt lehnt das Bild an der Wand. Daneben Fragmente einer selbst geschriebenen Geschichte:

Es war einmal...unscharfe Bilder gehender Menschen, flirrende, verwischte Farbe, als ginge man selbst schnell an etwas vorbei. Ein alter Mann mit riesigen Augenbrauen beobachtet den Betrachter mit strenger Miene. Vier Mädchen, jung und ungeschminkt blicken ernst in die Kamera, schrill und bemalt ziehen sie Fratzen, dann müde und ausgelaugt mit verschmierten Gesichtern wie nach einer durchzechten Nacht. Mitten im Raum eine lebensgroße Figur aus Eisenstäben, in der Mitte, da, wo das Herz ist, ein kleines Vogelnest. Zwölf fein gezeichnete Gesichter blicken dich an, der ganze Kurs des Seminars. Auf großen Kartons Fotografien von fremden und doch vertrauten Gesichtern, von Menschen, die nach langer Flucht am Münchner Hauptbahnhof angekommen sind. In einem Buch Fotografien von alten Menschen, die Nähe und Vertrautheit vermitteln. Eine Schülerin sprach lange mit ihnen, durfte persönliche, nahe Fotos machen und ergänzte sie  durch Texte. – Menschenbilder in vielerlei Gestalt. Es  sind nur einige der Arbeiten, die in den letzten eineinhalb Jahren im Kunstseminar der Oberstufe im Landheim Schondorf entstanden sind.  

Wie in jedem Jahr, seit über 30 Jahren, fand am vergangenen  Montag  im Oberstufenzentrum im Landheim Schondorf wieder die Ausstellung der künstlerischen Arbeiten der 12. Klassen statt. Drei Kurse zeigten unter dem Titel „ALLE.GLEICH.UNTERSCHIEDLICH.“ die Ergebnisse ihrer Arbeit aus den vergangenen eineinhalb Jahren. Dreizehn Jugendliche beschäftigten sich im W-Seminar Kunst mit dem Thema " Menschenbilder". Die Jugendlichen haben sich dabei von  Künstlern inspirieren lassen und sich in einer schriftlichen Arbeit mit deren Werken auseinandergesetzt. Das Spektrum der Vorbilder war breit: von Rubens und Dürer bis Richard Avedon und Mario Testino waren Künstler verschiedener Epochen vertreten. "Das Thema hat mich so gepackt, dass ich an gar nichts anderes mehr denken konnte, und dabei habe ich auch einen beruflichen Weg für mich gefunden“, sagte Anna-Luisa Ballauf, die am Bahnhof mit  Flüchtlingen in Kontakt kam, mit ihnen Gespräche führte und ein Buch daraus gemacht hat. "Ich möchte Bildjournalistin werden." 

Dass Jugendliche etwas für sich entdecken, eine Leidenschaft entwickeln und sich intensiv mit einem Thema auseinandersetzten, das sei das Wichtigste in den Seminaren, sagte Manuela Walter, die Kunstlehrerin. Und die Jugendlichen haben wirklich die Möglichkeit, sich vertieft auf ihr Thema einzulassen: Bis zu 10 Stunden Kunst in der Woche  können sie im Landheim belegen. Das ist für die Lehrer natürlich eine große Freude und auch eine Herausforderung. Über Jahre haben die Schüler die künstlerischen und handwerklichen Werkstätten besucht, nun können sie anwenden, was sie gelernt haben. Überraschend war, dass einige bei diesem Thema so beherzt auf fremde Menschen zugegangen und in Beziehung getreten sind. Gerade heute, im Zeitalter von Facebook und WhatsApp, scheint das direkte Gegenüber immer interessanter zu werden. Was steckt hinter einem Gesicht, war eine der Hauptfragen, die immer wieder gestellt wurden.

"Landschaft macht Kunst" war das Thema des Projektseminars Kunst/Französisch, in dem sich die Schüler in einem ersten Schritt theoretisch mit dem Phänomen der (südfranzösischen) Landschaft und ihrer Umsetzung im Bild beschäftigten. Im Zentrum des Seminars stand eine Reise in die Provence. Sich dort anregen zu lassen von den Landschaftsstrukturen, von ungewohnter Vegetation, einem anderen Licht und dann zu selbständigem künstlerischen oder literarischen Ausdruck zu kommen, das war das Ziel der Reise. Zur Ausstellung der Ergebnisse entstand ein Kunstmagazin. 

Der gut besuchte Ausstellungsabend wurde bereichert durch kurze Improvisationen zu Bildern aus der Kunstgeschichte, die von den Teilnehmern des Kurses Theater und Film selbst entwickelt worden waren. Viele Jugendliche waren unter den Gästen, in regen Diskussionen wurde die Werke begutachtet, mit den Künstlern gesprochen, Herangehensweisen und Ansätze erfragt, dabei viel gelacht und ein bisschen gefeiert. Und der nächste Schritt ist nun das Abitur.